Kompression peripherer Nerven
Erkrankungen der peripheren Nerven
Die Krankheitserscheinungen der Nerven gehören zu den ältesten beschriebenen Erkrankungen in der Medizingeschichte. Schon im 3. Jahrhundert vor Christus war die Sonderstellung der Nerven beobachtet worden, unter Galen (129-199 n. Chr.) wurden motorische (=harte) und sensible (=weiche) Nerven differenziert.
Funktionsausfälle von Nerven, die durch Druckeinwirkung entstehen, sind schon lange bekannt. Operativ zu behandelnde Erkrankungen des peripheren Nervensystems, der Nerven im herkömmlichen Sinne, haben in den letzten Jahren einen Rückgang verzeichnen können. Gründe dafür liegen in der geringeren Zahl schwerwiegender Verletzungen der Nerven durch Unfälle und Traumen. Neben den Verletzungen spielen Nerventumoren, Veränderungen am Bindegewebe wie bei den häufigen Gelenkzysten oder Entzündungen eine wesentliche Rolle. Vielfältige Engpass-Syndrome peripherer Nerven, oft mit größeren Schmerzzuständen einhergehend, stellen im klinischen Alltag zunehmend eine diagnostische Herausforderung dar. Nicht zuletzt sind bei allen Schäden an den Nervenstrukturen chronische Schmerzzustände denkbar, wenn nicht sogar sehr häufig, die einer intensiven Therapie bedürfen.
Einteilung peripherer Nervenläsionen
Ausdruck einer Nervenverletzung können sowohl sensorische Defizite (Gefühlsempfindungsstörungen), motorische Ausfälle (Lähmungen) als auch vegetative Störungen wie eine Durchblutungsstörung oder Schmerzen an der abhängigen Extremität sein. Vielfältige Entstehungsgründe für Nervenläsionen sind denkbar:
- Engpasssyndrome
- Traumatische Verletzungen
- Tumoren und andere raumfordernde Veränderungen
- Drucklähmungen
- Polyneuropathien und andere neurologische Erkrankungen
Engpasssyndrome
Das häufigste Kompressionssyndrom der peripheren Nerven ist mit Abstand das Karpaltunnelsyndrom (KTS) des N. Medianus mit den klinischen Symptomen der Kribbelmißempfiindungen an den Fingern 1-4, insbesondere an den Fingerspitzen, und den nächtlichen Schmerzen, die auch den Unterarm einbeziehen können. Das KTS ist ein typisches Tunnelsyndrom durch Druck auf den Nerven in einem knöchern-bindegewebigen Kanal, Dazu gehören auch die Meralgia parästhetica, das Supinatoryndrom, das Tarsaltunnelsyndrom.
Demgegenüber kommt bei Kompressionssyndromen neben dem Tunnel auch ein wesentlicher externer Faktor hinzu, wie zum Beispiel die exponierte Lage des N. ulnaris am Ellenbogengelenk. Oder auch eine ständige Druckwirkung auf den Nerv, wie bei der Morton-Metatarsalgie.
Bei beginnenden Kompressionssyndromen, insbesondere bei primär von außen generierten Krankheitserscheinungen wie einer Überbelastung, sind primär konservative Behandlungsmethoden erfolgversprechend, die neben einer Ruhigstellung des betroffenen Bewegungssegmentes auch medikamentöse Maßnahmen mit einschließen. Bei deutlichen sensiblen oder motorischen Ausfällen und Schmerzen sollte durch eine ausführliche elektrophysiologische Befundung die Indikation zu einer operativen Entlastung gestellt werden. Die Operation ist in der Regel sehr erfolgreich und weist eine sehr geringe Komplikationsrate auf.
Verletzungen
Der am häufigsten beteiligte Nerv bei peripheren Verletzungen ist der N. Ulnaris, gefolgt von N. Radialis, N. Medianus, N. peronaeus und den Armplexus-Verletzungen. Andere Nervenläsionen, wie zum Beispiel Beinplexusverletzungen sind extrem selten. Leichte Verletzungsgrade (von Sunderland-Grad 1-3), bei denen die Nervenhüllen intakt geblieben sind, müssen primär nicht operativ behandelt werden, da sie in der Regel spontan weitgehend ausheilen. Ist durch den Verletzungsmechanismus eine totale Durchtrennung der Nerven wahrscheinlich, muss operativ interveniert werden.
Drucklähmungen oder andere neurologische Nervenläsionen
Eine der häufigsten peripheren Nervenausfälle überhaupt stellt die Druckparese des N. Radialis am Oberarm dar, die sich mit der leicht zu erkennenden Fallhand bemerkbar macht (Parkbanklähmung). Solche Lähmungen besitzen eine überwiegend sehr günstige Prognose, eine vollständige Erholung der Nerven innerhalb von einigen Wochen ist die Regel. Operative Maßnahmen sind praktisch nie indiziert, ähnliches gilt für die anderen Druckparesen der Nerven.
Polyneuropathie
Die Behandlung der Polyneuropathien oder anderer Systemerkrankungen der Nerven richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei der Zuckerkrankheit, nach der Normalisierung der Zuckerwerte durch die internistische Therapie. Operative Maßnahmen sind nicht möglich.
Tumoren oder Ganglien
Tumoren an den Extremitätennerven sind mit wenigen Ausnahmen wie bei erblichen Erkrankungen (Neurofibromatose oder M. Recklinghausen) seltene Geschehnisse, sie können und müssen meist operativ entfernt werden. (Nur bei den noch selteneren malignen Nerventumoren ist neben einer möglichst umfangreichen Resektion des Tumors auch eine zusätzliche Strahlentherapie erforderlich.)
Häufig anzutreffen sind Neurinome oder Schwannome, das heißt von Nerven selbst ausgehenden Tumore, die mit den heutigen mikrochirurgischen Techniken gut zu entfernen sind. Zysten und Ganglien spielen eine wichtige Rolle. Bei den Ganglien handelt es sich um schaumartige Gelenkzysten, die bis ins Epineuralgewebe vordringen können und dort radikal entfernt werden müssen.